„… und wenn es doch Liebe ist?“

Rezension von „… und wenn es doch Liebe ist? Neues zur Hund-Mensch-Beziehung“ von Clive Wynne

Stürmisch werden wir von unseren Hunden begrüßt, wenn wir nach einiger Zeit der Abwesenheit nach Hause kommen. Sie kuscheln sich beim Fernsehabend neben uns aufs Sofa und so viele ihrer kleinen Gesten zeigen unmissverständlich, dass sie uns als ihre Menschen für etwas ganz Besonderes halten. Das beruht ohne Zweifel häufig auf Gegenseitigkeit.

Was die Beziehung zwischen Mensch und Hund seit Jahrtausenden ausmacht, lässt sich vermeintlich leicht erklären. Wir bieten ihnen ein Dach überm Kopf und Nahrung, im Gegenzug machen sich Hunde unter anderem als Jagdgehilfen, Gesellschafter und Alarmanlagen nützlich.

Und doch – die meisten Hundemenschen wären (zu Recht) empört, würde man versuchen, die Beziehung zu ihrem speziellen Hund auf den Charakter einer solchen reinen Zweckgemeinschaft zu reduzieren. Da ist mehr. Unseren Hunden ist nicht egal, ob einfach irgendein Mensch zur Haustür hineinkommt, oder ob wir es sind. Uns ist nicht egal, ob wir einfach irgendeinen Hund vom Spaziergang wieder mit nach Hause bringen, es muss schon unserer sein.

Es sind starke Gefühle, die unseren Hund zu unserem Hund machen – ich kann ohne Zögern sagen, dass ich für meine Hunde große Zuneigung empfinde, einen starken Wunsch, sie mögen sich wohl und sicher fühlen, und dass mich ihre Gegenwart glücklich und zufrieden macht. Kurz: Ich liebe meine Hunde.

Und: Ich weiß, dass sie mich auch lieben, und dass das nicht bloß allein darauf beruht, dass sie regelmäßige Mahlzeiten vorgesetzt bekommen.

Wie Clive Wynne in der Einleitung seines Buchs beschreibt, ist so ein Denken lange Zeit maximal privaten Hundehaltern vorbehalten gewesen, die sich solche Gefühlsduseleien gerade noch erlauben können. Im Bereich der Tierverhaltensforschung war für Gefühle lange Zeit kein Platz und auch unter Hundehaltern und -trainern gibt es heute noch Stimmen, die vor Vermenschlichung warnen, wenn es darum geht, Hunden Gefühle zuzuschreiben.

Als Psychologe und Tierverhaltensforscher macht sich Clive Wynne also auf den Weg um herauszufinden, was Hunde so einzigartig macht. Wie kommt es, dass sie wie keine andere Spezies seit Jahrtausenden unser Leben teilen?

Tatsächlich… Liebe!

Um die Pointe vorwegzunehmen (das macht das Buch nicht weniger interessant, im Gegenteil): Es ist vermutlich Liebe. Viele wissenschaftliche Erkenntnisse stützen die Idee, dass unsere Hunde uns lieben.

Wynne zeigt uns, wie diese Erkenntnisse zustande kamen. Ausgehend von der Idee, dass Hunde vielleicht spezielle kognitive Fähigkeiten mitbringen, die ihnen ein besonders gutes Verständnis von uns Menschen ermöglichen, über die Frage, ob Hunde Futter oder Streicheleinheiten bevorzugen, bis hin zu Versuchen, die zeigen, dass Hunde sich um traurige Menschen sorgen und Menschen, zu denen sie eine Bindungen haben, helfen wollen. Beobachtungen an Straßenhunden legen nahe, dass diese positiven Sozialkontakt zu sogar fremden Menschen genießen, während das Interesse selbst handaufgezogener Wölfe an Menschen im Vergleich zu Hunden eher gering ist.

Noch spannender wird es, wenn es im 4. Kapitel darum geht, ob sich bei den Hunden auch körperlich messbare Hinweise für die emotionale Beziehung zu uns Menschen finden lassen. So zeigen Versuche, dass sich die Herzschläge von Hund und Mensch synchronisieren, wenn sie sich in emotionalem Einklang befinden. Im MRT zeigt sich unter anderem, dass das Hundegehirn die Anwesenheit einer vertrauten Person als hochgradig belohnend verarbeitet. Auch auf neurochemischer Basis ist die Zuneigung zwischen Hunden und Menschen messbar – bei beiden Parteien! Wenn wir uns in die Augen sehen, steigt sowohl beim Hund als auch bei uns Menschen der Oxytocingehalt – je stärker die Bindung, desto höher der Anstieg! (Ähnliche Effekte passieren zwischen Menschenmüttern und ihren Babys.)
Selbst genetisch lässt sich menschenorientiertes Verhalten bei Hunden messen und erklären, so dass der Schluss nahe liegt, dass der Körper des Hundes im Grunde auf emotionale Bindungen programmiert ist.

Viele wissenschaftliche Erkenntnisse unterstützen also die von Wynne sehr poetisch formulierte Botschaft:

Das Wesen des Hundes ist Liebe.

Bevor er auf die Implikationen zu sprechen kommt, die die Liebesfähigkeit der Hunde auf unseren Umgang mit ihnen möglicherweise bedeutet, schaut Clive Wynne in Kapitel 5 noch einmal zurück auf die Ursprünge der Hunde und die Frage, wieso Hunde also so geworden sind.

Wie wurde der Wolf zum Hund, der Menschen liebt? Wynne glaubt, dass ein Element die gemeinsame Jagd an der Seite von Menschen gewesen sein könnte, die schlussendlich die Art der genetischen Mutation hervorgebracht hat, die die Bindung unserer Hunde an uns ermöglicht. Für mich besonders spannend war der an der Stelle folgende Bericht darüber, wie die Mayanga, eine indigene Gruppe in Nicaragua, noch heute gemeinsam erfolgreich mit ihren Hunden jagen.

Fazit

Mein Fazit: Ein sehr lesenswertes Buch. Neben den Beispielen, die ich hier kurz angerissen habe, berichtet Wynne noch von zahlreichen weiteren interessanten Versuchen, beleuchtet unter der Prämisse des auf Liebe programmierten Hundeorganismus die alte Nature-vs.-Nurture-Frage in Bezug darauf, was ein Hund braucht um seine Fähigkeit zu lieben auch wirklich zeigen zu können und fragt nicht zuletzt kritisch, was wir Menschen tun können um uns der Liebe unserer Hunde würdig zu erweisen.

Gerade aufgrund des letzten Punktes wollte ich das Buch so gerne lesen. Wenn nicht nur unser eigenes Gefühl uns suggeriert, sondern auch wissenschaftliche Erkenntnisse untermauern, dass unsere Hunde uns lieben, was bedeutet das dann für unseren Umgang mit Hunden? Welche Argumente kann es dann noch geben für gewaltbasierte Erziehungsmethoden? Welchen ethischen Standards muss unser Training und unser ganzen Leben mit unseren Hunden standhalten?

Wynn formuliert es treffend:

Von einem Hund geliebt zu werden ist ein großes Privileg, vielleicht eines der schönsten im Leben eines Menschen. Dessen sollten wir uns würdig erweisen.


„… und wenn es doch Liebe ist? Neues zur Hunde-Mensch-Beziehung“ von Clive Wynne wurde mir freundlicherweise vom Kynos Verlag zum Rezensieren zur Verfügung gestellt.

Das Buch ist im Kynos Verlag mit der ISBN 978-3-95464-205-2 zum Preis von 24,99 erschienen.

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